Veronika Fischer ·
Woher wohin
Es gibt Namen im deutschen Musikbusiness, die muss man nicht mehr vorstellen. Veronika Fischer ist ein Paradebeispiel dafür. Sie war eine der erfolgreichsten Sängerinnen – vielleicht die erfolgreichste Sängerin – zu DDR-Zeiten. Viele Menschen erinnern sich noch lebhaft an die frühen Siebziger, als Künstler mit eigenem Stil die Zuhörer eroberten. Weltweite Einflüsse gingen nicht spurlos an Künstlern und Publikum vorbei. Damals wurde noch ein Risiko eingegangen: mit neuen, sehr eigenen Ideen aufzutreten und zu begeistern. Bereits 1973 war Veronika Fischer mit Titeln wie „Nachts“ und „Blues“ mit der Gruppe Panta Rhei in den Hitparaden vertreten und landete 1975 mit ihrem Song „In jener Nacht“ auf dem ersten Platz der Jahreshitparade. Ihre Solo-Alben wurden zu Millionen verkauft. Songs wie „Auf der Wiese“, „Blues von der letzten Gelegenheit“, „Sommernachtsball“ oder „…daß ich eine Schneeflocke wär“ sind bis heute unvergessen. Insgesamt sind schon 21 Alben von Veronika Fischer erschienen. Im letzten Jahr feierte sie ihr 46-jähriges Bühnenjubiläum.
Kürzlich erschien ihre neue Single „Ach woher wohin“. Veronika Fischers brandneues Album „Woher wohin“ wird endlich veröffentlicht, und das Herzblut ist spürbar. Veronika Fischer selbst erzählt: „Ich war mit Lust und Eifer auf der Suche nach Neuem, und mein Freund Mario bestärkte mich und forderte mich heraus. Wohin könnte diesmal die Entdeckungsreise gehen? Ich wollte, erwachsen und erfahren geworden, vorwärts in neue Gefilde, doch gleichzeitig auch meine Wurzeln ehren und zur Geltung bringen – selbstverständlich, ohne ausgetretene Pfade zu gehen.“ Wie das Ergebnis klingt? Finden es heraus!
Veronika Fischer hat uns früher schon bemerkenswerte deutsche Interpretationen von internationalen Songs geschenkt: zum Beispiel das „Der Sohn meiner Nachbarin“, das auf Dusty Springfields „Son of a Preacher Man“ basierte. Mit dem Eröffnungssong des neuen Albums, der auch schon als Vorab-Single veröffentlicht wurde, „Ach woher wohin“, erweckt sie den Gospel/Country-Song „Did Trouble Me“ von Susan Werner zu neuem Leben. Der ergreifende Songtext stammt aus der Feder von Autorin Gisela Steineckert, mit der Veronika schon viele Jahre zusammenarbeitet. Sie bekamen 1973 für ihre sechs Berlin-Lieder innerhalb eines Wettbewerbs beide den Kunstpreis der Stadt Berlin. Nun machte sie gemeinsam mit Andreas Bicking, Veronikas Komponisten, Arrangeur und Produzenten, den Song zu einem schönen, melancholischen Lied, das von Trennung handelt, aber nicht ohne tröstendes Ende. Es passt zu Veronika Fischers Charakterstimme. „Ach woher wohin“ erzählt: Auch wenn uns das Zerbrechen einer Liebe hin und wieder den Mut nehmen will, sollten wir nicht vergessen: Von dem, was war, bleibt ein sanfter Hauch, ein Etwas zum Weiterleben zurück, das Kraft gibt: es wird weitergehn.
Auch wenn der Moment der Trennung schmerzhaft ist und bleibt. Das Verlassen eines einmal geliebten Menschen ist immer ein großer Bruch. „Seltsam, dass ich weinte“ besingt eben diesen Anbruch neuer Einsamkeit – und das auf eine Art und Weise, die es schwer macht, als Zuhörer nicht angesprochen und ergriffen zu sein. Diesen Song durchziehen ergreifende Gedanken. Veronika Fischer bringt eine aufrichtige Leidenschaft in ihren Gesang – sie klingt in den Strophen zart, im Refrain kraftvoll, mächtig.
Diese ihr eigene Mischung schafft es immer wieder, den Hörer zu packen. “Die Mitte“ betont den erzählerischen Gesangsstil von Veronika Fischer, ist dabei melodisch und besteht aus einer Mischung von warmen Piano-Akkorden und filigranen Akustikgitarren. Ein Song, der sich entfaltet, und eine ganz besondere, modern – schwebende Atmosphäre schafft. Mit dem dann folgenden Song „Goodbye, auf Wiedersehn“ wird der Schritt zur ruhigen Ballade vollzogen. Doch gerade, wenn man denkt, dass man die sehr ruhige Songstruktur durchschaut habe, beginnt eine atmosphärisch dichte, instrumentale Entfaltung – etwas, das man als Markenzeichen des Albums betrachten kann.
Auch in den folgenden Songs ist sie unverkennbar wieder da: die Eigenständigkeit der Musik von Veronika Fischer. Erstaunlich, wie sie bis heute mit neuen Ideen begeistern kann. „Manchmal, wenn der Regen fällt“ überzeugt mit einem Reggae-Rhythmus, der in Balladeskes eingebettet ist. „Immer Nacht“ hat eine interessante asiatische Melodieführung, die man so noch kaum gehört hat. Mit „Weniger wäre mehr“ kehrt die Country-Musik, die mit dem Eröffnungssong eingeführt wurde, zurück, und auch „Als ich sang, wie mir zumute war“ ist eine weitere, schöne Überraschung. Hier präsentiert Veronika Fischer ein Chanson. Es wirkt wie eine sehr persönliche Geschichte, bis ihre Stimme in dem schönen und traurigen Akustik-Endstück langsam verklingt.
Das abschließende Song-Trio, das aus „Wo der Wind wohnt“, „Weiß mir ein Blümlein“ und „Sag mir wo die Blumen sind“ besteht, ist eine Reise durch die Welt der Gefühle. Jeder Song berührt die Seele. Erst eine filigrane Piano-Ballade, die von Veronika Fischers besonders intensiven Gesangs-Momenten durchzogen ist. „Weiß mir ein Blümlein“ ist ein gesungenes Gedicht, das mit sanften, französischen Akkordeon-Akzenten glänzt. „Sag mir wo die Blumen sind“ ist der ruhige, betont erzählerische Abschluss des Albums. Das weltberühmte Chanson von Marlene Dietrich wird von Veronika Fischer glaubhaft mahnend interpretiert.
Wenn die letzte Note verklingt, wird gewiss: Eine so ehrliche und mitnehmende Reise für Herz und Seele ist heutzutage selten geworden. Veronika Fischer zeigt uns, dass man mit viel Erfahrung und Musikverständnis noch mit Neuem überraschen kann. Dass man etwas schaffen kann, das die Menschen mitreißt und berührt, so wie vor vielen Jahren. Sie ist nach wie vor einfach auf eigene Weise einzigartig. In einer Musikwelt, in der nur zu oft kopiert wird, Trends zu lange bemüht und Genregrenzen kaum mehr überschritten werden , präsentiert Veronika Fischer mit „Woher wohin“ eine Sammlung schöner, einzigartiger Lieder.